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Bürgergeld für Studenten

Student zeigt leere Taschen - kein Geld
Haben Studenten Anspruch auf Bürgergeld? (Foto: ESB Professional / shutterstock)

Bevor es tiefer in die Materie geht, können wir gleich vorab schon mal den Wind aus den Segeln nehmen – Bürgergeld gibt es für Studenten, Auszubildende und Schüler nur in Ausnahmefällen, denn der Anspruch auf Bürgergeld hängt mit der Förderungsfähigkeit von Ausbildung oder Studium zusammen. Erfahren Sie im Folgenden mehr über die Ausnahmefälle, in denen der Bezug von Bürgergeld für Studenten möglich ist.

Zur Erläuterung: Was ist Bürgergeld?

Bürgergeld ist die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Bürgergeld (bis Ende 2022 noch Hartz IV genannt) umfasst für erwerbsfähige Hilfebedürftige die Deckung des Lebensbedarfs mit dem Regelsatz nach § 20 SGB II (aktueller Regelsatz in 2024: 563 Euro) und die Übernahme der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) nach § 22 SGB II.

Nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen wird Bürgergeld in Form der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erbracht, welche sich am Regelsatz orientiert. Zusätzlich werden Mehrbedarfe nach § 21 SGB II sowie Sonderbedarfe und Leistungen zur Erstausstattung gezahlt. Zudem ergänzt das Bildungs- und Teilhabepaket (Bildungspaket) die Leistungen nach dem II. Sozialgesetzbuch.

Kann man als Student Bürgergeld beziehen?

In der Regel ist der Bezug von Bürgergeld für Studenten nicht möglich. Studenten, Auszubildende und Schüler, deren Ausbildung bzw. Studium mit dem BAföG, der Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) oder dem Ausbildungsgeld „dem Grunde nach“ förderungsfähig sind, haben keinen Anspruch auf Bürgergeld Leistungen.

Förderungsfähigkeit der Ausbildung ausschlaggebend

„Dem Grunde nach“ bedeutet in diesem Fall, dass es nicht darauf ankommt, ob ein BAföG Antrag gestellt wird oder überhaupt Leistungen fließen. Ausschlaggebend ist, dass die Ausbildung förderungsfähig ist, was zunächst ein K.O.-Kriterium für den Bezug von Bürgergeld Leistungen ist.

Aber: Zu jeder Regel gibt es Ausnahmen und gerade in diesem Bereich sind zahlreiche angesiedelt, weshalb es sich für Studenten lohnt, sich mit dieser Thematik zu beschäftigen. So gelten abweichende Regelungen in Härtefällen und in besonderen Lebenssituationen.

Leistungsausschluss durch BAföG und Co.

Bezieher oder „dem Grunde nach“ Anspruchsberechtigte von Ausbildungsförderung nach dem BAföG, BAB oder dem Ausbildungsgeld sind im Regelfall von Bürgergeld ausgeschlossen, dies ergibt sich aus der Regelung des § 7 Abs. 5 SGB II.

Bedürftigkeit liegt nicht vor

Hintergrund dieses Leistungsausschlusses ist, dass ebenfalls für die Ausbildungsförderung eine Bedürftigkeit vorliegen muss, weil der Student selbst nicht in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt aus eigenen finanziellen Mitteln zu bestreiten.

Elterliche Unterhaltspflicht wird berücksichtigt

Dabei ist auch noch die Unterhaltspflicht der Eltern (sofern kein elternunabhängiges BAföG) zu beachten. Jede Ausbildungsförderung deckt damit auch den Grundbedarf für die Lebenshaltungskosten.

Keine Vermittlungsfähigkeit

Ein weiterer Grund ist, dass bei Bürgergeld Bezug einer Vermittlungsfähigkeit zum Arbeitsmarkt bestehen muss, was bei Studenten nicht der Fall ist, da sie den Vermittlungsbemühungen der Jobcenter nicht zur Verfügung stehen.

Wann haben Studenten Anspruch auf Bürgergeld?

Das SGB II räumt in § 7 Abs. 6 Ausnahmen zum Leistungsausschluss bei Möglichkeit der Ausbildungsförderung ein. Geltend für:

  • Schüler an Berufsfachschulen und Fachschulen nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BAföG, deren Besuch keine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt. Hier wird der monatliche Bedarf von 262 € nach Abzug des ausbildungsbedingten Bedarfs als Einkommen auf Bürgergeld angerechnet.
  • Bei Schülern und Studenten, die nicht mehr bei ihren Eltern wohnen, weil
    • die Ausbildungsstätte von der elterlichen Wohnung nicht in angemessener Zeit (tägl. Wegstrecke für Hin- und Rückfahrt zwei Stunden) erreicht werden kann
    • sie verheiratet sind oder waren (Lebenspartnerschaft gleichgestellt)
    • sie mit mindestens einem Kind in einem eigenen Haushalt leben

Mietzuschuss zu den ungedeckten Wohnkosten

Bei Studenten machen die Kosten für Miete den größten Posten der Ausgaben aus, zu diesem Ergebnis sind auch die Studentenwerke in ihrer Studie gekommen. Die stetig steigenden Mietpreise machen die Sache nicht besser. Im BAföG Bedarf ist bereits ein Anteil für Miete und Wohnkosten vorgesehen, der bei eigenem Hausstand pauschal 360 Euro und bei Unterkunft in der elterlichen Wohnung 59 Euro beträgt. Die Pauschalen decken die tatsächlichen Kosten der Studenten allerdings nicht ab und sind weitaus geringer als die angemessenen Wohnkosten nach dem SGB II.

Übernahme der Wohnkosten bei Hilfebedürftigkeit der Eltern

Studenten, die während des Studiums noch bei ihren Eltern wohnen und einen Anteil der Miete übernehmen müssen – weil die Eltern z.B. selbst hilfebedürftig im Sinne von Bürgergeld sind und den Mietkostenanteil für das studierende Kind nicht tragen können – haben Anspruch auf die Übernahme der ungedeckten, angemessenen Wohnkosten nach § 22 Abs. 7 SGB II. Die Angemessenheit richtet sich nach den örtlichen Richtlinien, die jede Kommune selbst festlegt. Voraussetzungen ist allerdings, dass der Student in der Wohnung der Eltern wohnt, tatsächlich einen BAföG Anspruch hat und bereits Leistungen durch das Amt für Ausbildungsförderung fließen.

Beispiel: Der Student wohnt zusammen mit seinen Eltern in Berlin und die angemessene Miete für einen 3-Personen-Haushalt im Sinne der örtlichen Richtlinien beträgt 668,80 Euro. Auf jede Person im Haushalt würde eine Mietanteil von 222,93 Euro entfallen. Da BAföG nur einen pauschalen Wohnkostenanteil von 59 Euro vorsieht, bleiben 163,93 Euro der Wohnkosten des Studenten ungedeckt.

Der Zuschuss zu den ungedeckten Wohnkosten wird als Beihilfe erbracht und gilt nicht als reguläre Bürgergeld Leistung, weshalb ihn Studierende auch ohne Voraussetzung der Arbeitssuche beziehen können.

Keine Übernahme von Erstausstattung der Wohnung

Bürgergeld Bezieher, die erstmalig eine Wohnung einrichten, haben Anspruch auf Erstausstattung der Wohnung nach § 24 Abs. 3 SGB II, was die Übernahme der Kosten für Haushaltsgegenstände vorsieht. Von dieser Regelung sind Studenten ausdrücklich ausgenommen, wie auch das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt mit rechtskräftigem Beschluss  vom 10.01.2012 (Az. L 2 AS 465/11 B ER) bestätigte.

Studieren mit Kind – Bürgergeld für Kinder von Studenten

Der Leistungsausschluss für Studierende bezieht sich nicht auf deren Kinder, sofern vorhanden. Diese haben einen eigenen Anspruch auf Bürgergeld Leistungen. Zusätzlich wird der pro Kopf Anteil an den angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung übernommen sowie Leistungen aus dem Bildungspaket gewährt.

Voraussetzung ist, dass das Kind selbst bedürftig ist, also die Lebenshaltungskosten nicht anderweitig gedeckt sind, wozu auch der Unterhalt eines barunterhaltspflichtigen Elternteils (alternativ der Unterhaltsvorschuss durch das Jugendamt) zählt. Liegt Bedürftigkeit bei Kindern von Studierenden vor, wird ein altersabhängiger Regelsatz seit dem 01.01.2024 gezahlt:

  • 0-5 Jahre: 357 Euro
  • 6-14 Jahre: 390 Euro
  • 15-17 Jahre: 471 Euro

Werden Unterhaltsleistungen für das Kind erbracht, so werden sie wie auch das Kindergeld als Einkommen des Kindes angerechnet und mindern das Sozialgeld.

Bürgergeld als letzte Möglichkeit

Bei Bürgergeld handelt es sich quasi um die „letzte“ Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts. Andere Sozialleistungen wie das Wohngeld oder der Kinderzuschlag sind immer vorrangig zu beantragen. Wird Bürgergeld nun für das Kind beantragt, weist das Jobcenter auf die Vorrangigkeit dieser Leistungen hin.

Jobcenter Darlehen in Härtefällen

Ausdrücklich erklärt § 27 Abs. 3 SGB II, dass Leistungen in Form eines Jobcenter Darlehens erbracht werden können, wenn der Leistungsausschluss aufgrund der Ausbildungsförderung eine besondere Härte darstellen. In diesem Fall werden der Regelsatz, die Übernahme der Unterkunft und Heizung sowie notwendige Beiträge zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung (ausgenommen Familienversicherung, da beitragsfrei über die Eltern versichert) als Darlehen erbracht. Zusätzlich können Mehrbedarfe als Zuschuss in Anspruch genommen werden.

Erster Monat der Ausbildung

Namentlich bezieht sich diese Regelung u. A. auf den ersten Monat der Ausbildung bzw. Semesters bei Studenten. In diesem Fall werden Studenten möglicherweise nach dem SGB II bedürftig, wenn die Zahlungen des BAföG nicht rechtzeitig auf dem Konto landen.

Vorbereitung auf Examen

Die Vorbereitung auf ein Examen unterliegt nicht mehr der BAföG Förderung und stellt ebenfalls einen Härtefall dar. So entschied das Landessozialgericht Schleswig-Holstein mit Beschluss L 11 AS 29/12 B ER vom 07.03.2012, dass einem Studenten in der Examensphase eine Erwerbstätigkeit zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht zugemutet werden kann, wenn dadurch der Erfolg der Abschlussarbeit gefährdet wird.

Weitere Härtefälle

Auch in anderen Fällen können besondere Härtefälle vorliegen. Die Auflistung ist nicht abschließend, da es hier auch zu Einzelfallentscheidungen kommen kann:

  • Überschreiten der Förderungshöchstdauer nach dem BAföG aufgrund von Schwangerschaft, Krankheit oder Behinderung
  • Unterbrechung des Studiums wegen Geburt eines Kindes und der damit verbundenen Betreuung

Um einen Härtefall zu rechtfertigen, müssen wirklich wichtige Gründe vorliegen, wie z.B. vorstehend genannt. Dass das Studium aufgrund des Fehlens von finanziellen Mitteln nicht weiter fortgeführt werden kann, reicht als bloße Begründung dagegen nicht.

Mehrbedarfe nach § 22 SGB II in besonderen Lebenssituationen

Die Ausbildungsförderung nach dem BAföG sieht nur die Sicherung des eigenen Lebensbedarfs sowie der Wohnkosten vor. Alles was über die eigene Existenzsicherung des Studenten hinausgeht, wird mit dem BAföG nicht mehr erfasst. Im Vergleich dazu sieht das SGB II auch Mehrbedarfe vor, die in besonderen Lebenslagen auf Antrag gewährt werden, so bei:

  • Schwangeren
  • Alleinerziehenden
  • Kranken, die auf besondere Ernährung angewiesen sind

Mehrbedarf für Schwangere

Für Schwangere ab der 13. Schwangerschaftswoche sehen Bürgergeld Leistungen einen Mehrbedarf von 17 Prozent vor. Beim aktuellen Eck-Regelsatz von 563 Euro beläuft sich dieser Zuschuss bei Schwangerschaft auf 95,71 Euro monatlich.

Zusätzlich haben Schwangere einen Anspruch auf eine einmalige Erstausstattung, welche die Anschaffung von Umstandskleidung sowie eine Baby-Erstausstattung (z.B. Babybett, Wickelauflage, Kinderwagen, Babybadewanne etc.) bei der Geburt umfasst.

Mehrbedarf für Alleinerziehende

Für Alleinerziehende sieht das SGB II einen Mehrbedarf in Höhe von zwölf bis 60 Prozent des maßgeblichen Regelsatzes vor, welcher sich nach Anzahl und Alter der Kinder richtet. Beispiel: Eine alleinerziehende Mutter betreut ein Kind von zwei Jahren. Hierfür stehen ihr 36 Prozent des Eck-Regelsatzes zu, so dass sie monatlich 202,68 Euro als Mehrbedarf für Alleinerziehende erhalten kann.

Hinweis: Die BAföG Leistungen sehen für studierende Eltern einen Kinderbetreuungszuschlag in Höhe von 160 Euro monatlich nach § 14b BAföG vor, unabhängig davon, ob es sich um Alleinerziehende handelt oder nicht.

Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung

Die Höhe des Mehrbedarfs bei Ernährung richtet sich nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen. Unter welchen Voraussetzungen es wie viel Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung gibt, könnt ihr auf buergergeld.org unter Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung nachlesen.

Bürgergeld Bezug im Urlaubssemester (Beurlaubung)

Müssen Studenten aufgrund von Erkrankung oder Geburt eines Kindes ein Urlaubssemester einlegen, so erlischt der BAföG Anspruch automatisch nach drei Monaten (§ 15 Abs. 2a BAföG). Dadurch lebt der Anspruch auf Bürgergeld im Falle der Bedürftigkeit auf.

Sonderfall bei Bürgergeld: Teilzeitstudium und Promotion

Teilzeitstudium

Bürgergeld während eines Teilzeitstudiums kommt in Betracht, da der Student hier höchstens 20 Stunden pro Woche durch das Studium eingespannt ist und somit eine Teilzeittätigkeit und damit auch eine Vermittlung durch das Jobcenter möglich wäre. Nach Auffassung des Gesetzgebers setzt die Erwerbsfähigkeit, welche eine zentrale Voraussetzung für Bürgergeld ist, die Möglichkeit einer dreistündigen täglichen Arbeitszeit voraus. Gleiches gilt bei einem Fernstudium. Lesen Sie dazu auch das Urteil des LSG Hessen vom 15.12.2020.

Promotion

Eine Promotion liegt meist außerhalb der Regelstudienzeit und ist damit nicht von der BAföG Förderung umfasst. Sie gilt als nebenberuflich und damit gelten die gleichen Voraussetzungen wie bei einem Teilzeitstudium. Allerdings gibt es eine Ausnahme: Einzügige Promotionen – der Doktortitel ist hier der erste Berufsabschluss und wird so durch das BAföG gefördert.

Quellen und weitere Nachweise: